Molekulare Sonde aufgespürt (FSU)

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Interdisziplinäres Forscherteam von Universität und Fritz-Lipmann-Institut entdeckt neuartigen Inhibitor der Sekretion des Notch-Rezeptors

Der Notch-Signalweg spielt bei vielen Entwicklungsprozessen eine wichtige Rolle. In Zusammenarbeit mit organischen und medizinischen Chemikern der Friedrich-Schiller-Universität Jena gelang es Wissenschaftlern vom Leibniz-Institut für Altersforschung - Fritz-Lipmann-Institut in Jena, mit einem mikroskopischen Verfahren eine vielversprechende Substanz zu validieren, die eine neuartige Wirkung auf den Notch-Signalweg hat. Das berichten die Forscher in der aktuellen Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift "Nature Chemical Biology" (DOI: 10.1038/nchembio.1356). Möglicherweise ergeben sich hieraus neue Ansatzpunkte für zielgerichtete Therapie­n bei Notch-induzierten Erkrankungen. 

Mittels Rezeptoren und den daran angekoppelten Signalwegen reagieren Zellen auf äußere Reize. So stellen sich bereits Einzeller durch Regulation ihres Stoffwechsels auf Veränderungen der Umwelt ein und sichern somit ihre Existenz. Für Mehrzeller wie Tiere und Menschen sind Rezeptoren und ihre Signalwege von essentieller Bedeutung und wichtiger Bestandteil bei der Verarbeitung verschiedenster Signale (z. B. Hormone) und äußerer Reize (z. B. Gerüche). Zusätzlich haben Mehrzeller Mechanismen entwickelt, mit denen Zellen über Rezeptoren direkt untereinander kommunizieren können. 

Screening von 17.000 Substanzen

Einer der wichtigen Signalwege, über den Zellen in Tieren und Menschen miteinander kommunizieren, ist der sog. Notch-Signalweg, der nach seinem Rezeptor "Notch" benannt ist. Das Gen für diesen Rezeptor entdeckte Thomas Hunt Morgant 1917 bei der Fruchtfliege (Drosophila melanogasta). Eine Mutation des Gens führte zu Kerben (engl. "notches") in den Fliegenflügeln. Bei der Untersuchung des Notch-Signalweges durchforsteten die Jenaer Forscher in einem "Screening"-Verfahren gezielt eine Sammlung von wirkstoffähnlichen Substanzen, die diesen Signalweg beeinflussen könnten. Aus der dafür eingesetzten ChemBioNet-Substanzbank, die am Leibniz-Institut für molekulare Pharmakologie in Berlin für die akademische Forschung vorgehalten wird, wurden 17.000 Verbindungen mittels am FLI entwickelter automatisierter Mikroskopie untersucht. Es gelang den Wissenschaftlern, so einige neue Substanzen zu identifizieren, die den Notch-Signalweg beeinflussten. 

"Notch ist ein für zahlreiche Entwicklungs- und Differenzierungsvorgänge in unserem Körper essentieller Rezeptor, z. B. bei der Bildung neuer Blut- oder Darmzellen", erläutert Dr. Christoph Kaether, Leiter der Arbeitsgruppe Membrantransport am Leibniz-Institut für Altersforschung - Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena. "Störungen des Signalweges rufen eine Vielzahl von Erkrankungen hervor und sind auch an der Entstehung zahlreicher Krebsarten beteiligt", so Kaether weiter. "Besonders spannend war, dass eine der Verbindungen ein neuartiges Wirkspektrum zeigte". Die Wissenschaftler fanden heraus, dass die FLI-06 genannte Verbindung den Transport von Notch und anderen Proteinen aus dem endoplasmatischen Retikulum im Zellinneren an ihren eigentlichen Bestimmungsort in der äußeren Zellmembran unterbindet, ein offensichtlich neuartiger Wirkmechanismus. 

Zur genauen Untersuchung der aufgefundenen Substanzen und deren biologischer Wirkung arbeiteten die Forscher des FLI eng mit Prof. Dr. Hans-Dieter Arndt vom Institut für Organische Chemie und Makromolekulare Chemie und Prof. Dr. Oliver Werz vom Institut für Pharmazie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena zusammen. Da die chemische Struktur von FLI-06 der von häufig eingesetzten Herz-Kreislauf-Medikamenten ähnlich ist, die Wirkung jedoch eine völlig andere, wurde die neuartige Wirkung durch gezielte Synthesen abgewandelter Moleküle untermauert. "Bei solch grundlegenden Untersuchungen in der chemischen Biologie ist Kontrolle über die molekulare Struktur und die Reinheit der untersuchten Substanzen ein ganz wichtiger und leider zu oft vernachlässigter Aspekt", erläutert Prof. Arndt. 

Zellulären Angriffsort von FLI-06 ausfindig machen

"Unsere Studie ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie die heutige Forschung von interdisziplinärer und einrichtungsübergreifender Zusammenarbeit profitiert. Das gelingt gerade am Standort Jena ganz hervorragend", hebt Dr. Kaether hervor. "Mit FLI-06 haben wir jetzt eine molekulare Sonde in der Hand, mit dem die nur ungenügend verstandenen Prozesse im endoplasmatischen Retikulum wesentlich besser untersucht werden können". 

Das Forscherteam an FLI und FSU möchte jetzt die zum Patent angemeldeten Eigenschaften von FLI-06 weiter ergründen. "Wir kommen jetzt in eine sehr spannende Phase", betont Prof. Arndt, "denn jetzt gilt es, den bislang unbekannten molekularen Angriffsort von FLI-06 in der Zelle zu ergründen und nutzbar zu machen". Die Wissenschaftler hoffen, dass so Krankheiten die mit überreguliertem Notch einhergehen, etwa bestimmte Formen maligner Lymphome, in Zukunft besser zu behandeln sein könnten. 

Publikation

A. Krämer, T. Mentrup, B. Kleizen, E. Rivera-Milla, D. Reichenbach, C. Enzensperger, R. Nohl, E. Täuscher, H. Görls, A. Ploubidou, C. Englert, O. Werz, H.-D. Arndt, C. Kaether. Small molecules intercept Notch signaling and the early secretory pathway. Nat. Chem. Biol. 2013, 8, im Druck. DOI: 10.1038/nchembio.1356.