Die Methylierung des Notch-Proteins beeinflusst dessen Aktivität
"Das Besondere am Notch-Signalweg ist sein Rezeptor. Denn sobald ein Ligand einer anderen Zelle an dieses Protein bindet und so den Signalübertragungsmechanismus auslöst, kommt es zur Spaltung des Rezeptors. Dann bahnt sich ein Teil dieses Proteins als so genannte intrazelluläre Domäne den Weg in den Zellkern, um dort direkt als Transkriptionsfaktor zu wirken und so die Expression bestimmter Gene zu steuern", schildert Oswald die ungewöhnliche Arbeitsweise dieses Signalweges.
Das Forscherteam hat nun herausgefunden, dass sich durch die Methylierung des Notch-Proteins dessen Aktivität und Stabilität wesentlich beeinflussen lässt, wodurch sich auch die Genexpression und damit zusammenhängende Entwicklungsprozesse maßgeblich verändert. Unter Methylierung versteht man eine Übertragung von Methylgruppen an bestimmte Aminosäurereste eines Proteins, die von speziellen Protein-Methyltransferasen katalysiert wird. Bestimmte Methyltransferasen können über so genannte Chromatinmodifikationen die Genexpression sogar direkt beeinflussen. Mit Hilfe von in vivo Studien mit Zebrafischembryonen und Krallenfroschkaulquappen konnten die Wissenschaftler eindrucksvoll demonstrieren, dass das Notch-Protein selbst durch die Methyltransferase CARM1 methyliert wird.
Die Fehlbildungen lassen nach, wenn die Methylierung verhindert wird
Bleibt der Notch-Signalweg durch die Methylierung des Notch-Proteins während der Embryonalentwicklung dauerhaft aktiviert, führt dies zu dramatischen Fehlbildungen der Augen, der Muskulatur und im Kopfbereich. Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass sich die Aktivität des Signalweges auf ein normales Maß herunterregulieren lässt, wenn man ein Notch-Protein in die Tiere einbringt, das nicht mehr methyliert werden kann. Auch die Fehlbildungen zeigten sich dadurch weitaus weniger ausgeprägt.
Über den Notch-Signalweg wird die Genexpression epigenetisch kontrolliert
"Wir konnten also zeigen, dass die Genexpression über den Notch-Signalweg epigenetisch kontrolliert wird. Das heißt, durch die Methylierung der intrazellulären Domäne von Notch kommt es zu weiteren posttranslationalen Veränderungen am Chromatin, die sich entscheidend auf die Embryonalentwicklung auswirken", erklärt Professor Tilman Borggrefe vom Institut für Biochemie der Justus-Liebig-Universität Gießen. Eine wichtige Rolle spielt bei dieser Art der Regulation, die nicht direkt am Genom angreift, das Chromatin und die so genannten Histonproteine, über die die DNA verpackt wird.
Mathematische Modelle helfen dabei, komplexe Prozesse besser zu verstehen
Darauf aufbauend konnten die Forscher ein mathematisches Modell entwickeln, das die Stärke und Dauer eines Notch-Signals berechnet, und mit dessen Hilfe die Wirkung von Notch-Modifikationen am Computer simuliert und vorhergesagt werden kann. "Die enge Verbindung zwischen empirischer und mathematisch-modellierender Forschung wird in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen", ist der Systembiologie-Experte Professor Hans Armin Kestler vom Leibniz-Institut für Altersforschung - Fritz-Lipmann-Institut (FLI) Jena überzeugt. Mit der engen Zusammenarbeit von Molekularbiologen und Systembiologen könnten Forschungsergebnisse in einen größeren systemischen Zusammenhang gestellt und komplexe biologische Abläufe besser verstanden werden. Nicht zuletzt mit dem langfristigen Ziel, Interventionsstrategien und entsprechende Medikamente zu entwickeln, die beispielsweise im Fall gestörter Notch-Signalwege die Entstehung von Blutkrebs verhindern könnten.