Von solchen Selbstheilungskräften können wir Menschen nur träumen: nur wenige Organe und Gewebe in unserem Körper sind in der Lage, sich fortlaufend zu regenerieren, wie z.B. die Darmschleimhaut, das Blut, der Skelettmuskel, die Leber und die Haut. Mit zunehmendem Alter lässt diese Fähigkeit nach. Warum das so ist und welche Prozesse dafür verantwortlich sind, ist Gegenstand der aktuellen Forschung.
Wissenschaftler des Jenaer Leibniz-Institutes für Altersforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) haben nun am Tiermodell Nothobranchius furzeri (Türkiser Prachtgrundkärpfling) erstmals über den gesamten Bereich der Lebensspanne hinweg untersucht, welchen Einfluss das Alter auf die Regenerationsfähigkeit der Schwanzflosse hat und welche Zellen dafür verantwortlich sind. Die Forschungsergebnisse wurden jetzt in dem Fachjournal „Aging Cell” veröffentlicht.
„Ein beliebtes Modell zur Untersuchung von Regenerationsprozessen ist die Schwanzflosse von Knochenfischen“, berichtet Prof. Dr. Christoph Englert, Forschungsgruppenleiter am FLI. „Für unsere Studien verwendeten wir daher den Türkisen Prachtgrundkärpfling (N. furzeri), das kurzlebigste Wirbeltier, das im Labor gehalten werden kann und das dem FLI als neues Tiermodell für die biomedizinische Altersforschung dient“. Die Lebensspanne des ostafrikanischen Fisches variiert je nach Fundort und Dauer der Regenzeit zwischen 4 bis 14 Monaten. Untersucht wurden vier verschiedene Gruppen von Fischmännchen der langlebigeren Stämme im Alter von 8, 20, 36 und 50-60 Wochen.
Regeneration im Alter
„Mit Zunahme des Alters stellten wir einen kontinuierlichen Rückgang der Regenerationsfähigkeit fest“, erklärt Dr. Nils Hartmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe Englert. „Während die 8-Wochen alten Jungfische innerhalb von nur vier Wochen ihre Schwanzflosse nahezu vollständig regenerieren konnten, gelang den sehr alten Fischen nur, die Hälfte ihrer ursprünglichen Schwanzgröße wiederherzustellen“. Dieser Unterschied der Wachstumsrate zwischen den sehr jungen und sehr alten Fischen ist bereits nach 3 Tagen signifikant ausgeprägt. „Das unterstreicht, dass die jungen Fische bei der Regeneration klar im Vorteil sind und die älteren Exemplare diesen zeitlichen Verlust auch nicht mehr aufholen können“.
Von Fischen lernen
Darüber hinaus konnte im Flossengewebe der jungen Fische ein hoher Anteil an sich teilenden (proliferierenden) Zellen nachgewiesen werden, während im Gewebe der alten Fische mehr absterbende (apoptotische) Zellen zu finden waren. „Das deutet darauf hin, dass der altersbedingte Unterschied in der regenerativen Fähigkeit sich aus der höheren Anzahl von proliferierenden Zellen und der erhöhten Zellteilung ergibt“. Diese neuen Erkenntnisse führen zu einem besseren Verständnis der Vorgänge während der Regeneration bei Wirbeltieren und könnten zur Aufklärung der Frage beitragen, warum Menschen nur bedingt regenerationsfähig sind. „Denn obwohl Schwanzflossen auf den ersten Blick wenig mit uns Menschen zu tun haben, befinden sich doch alle relevanten Zelltypen in ihr, die auch für uns Menschen von Bedeutung sind: von Knochen-, Nerven-, Muskel- und Hautzellen bis hin zum Bindegewebe“.
„Noch stehen wir jedoch am Anfang unserer Forschung, aber wir haben mit der Etablierung dieses Regenerationsmodells nun die Möglichkeit, in Zukunft mehr über die Zellen und Faktoren zu lernen, die an der Altersabhängigkeit der Regeneration beteiligt sind, denn letztlich wollen wir die Regenerationsfähigkeit des Menschen verbessern“, so die Jenaer Wissenschaftler. Dafür scheint der Türkise Prachtgrundkärpfling ein gutes Modell zu sein.
Publikation
Wendler S, Hartmann N, Hoppe B, Englert C. Age-dependent decline in fin regenerative capacity in the short-lived fish Nothobranchius furzeri. Aging Cell 2015. doi: 10.1111/acel.12367.
Kontakt
Dr. Kerstin Wagner
Leibniz-Institut für Altersforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI)
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