Ziel des Sonderforschungsbereichs (SFB)
ist es, Wirkstoffe zielgerichtet dahin zu bringen, wo sie gebraucht werden: Medikamente haben meist Nebenwirkungen, weil sie in hoher Dosis verabreicht werden müssen, damit der Wirkstoff da ankommt, wo er gebraucht wird. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität Jena und der Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) haben sich daher der Suche nach alternativen Trägermaterialien verschrieben und entwickeln im SFB „PolyTarget“ Systeme, mit denen sich Medikamente zielgerichtet an den Ort ihrer Bestimmung lotsen und die Wirkstoffe genau dort abliefern lassen, wo sie gebraucht werden. Der SFB wird von der Universität Jena koordiniert und ging 2017 an den Start. Am interdisziplinären Forschungsverbund beteiligt sind Forschende aus den Bereichen Chemie, Materialwissenschaften, Pharmazie und Biochemie der Universitäten Jena und Erlangen-Nürnberg als auch Medizinerinnen und Mediziner des Universitätsklinikums Jena sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Jenaer Leibniz-Institute für Photonische Technologien, für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie sowie für Alternsforschung.Das Team um Prof. Dagmar Fischer an der FAU beschäftigt sich im SFB PolyTarget zum einen mit der Entwicklung von „bioinspirierten“ Nanopartikeln zur Gentherapie bei Entzündungen, die zelleigene Strategien aus der Natur kopieren, um einen sicheren und effizienten Transport der Wirkstoffe zu erreichen (Projekt B03). Ein zweites Projekt (C02) von Prof. Fischer trägt zum SFB mit der Entwicklung von völlig neuen nachhaltigen Herstellungsmethoden für Nanopartikel bei, welche bei bakteriellen und viralen Infektionen, auch Covid-19, unter Einsatz von hochwirksamen Naturstoffen zur Anwendung kommen.
„Wir verpacken Wirkstoffe in winzige und hinsichtlich ihrer Funktion maßgeschneiderte Polymer-Nanopartikel“, erläutert Prof. Dr. Ulrich S. Schubert, Sprecher des Forschungskonsortiums. Durch die Ankopplung von Antikörpern, Peptiden oder anderen Molekülen mit bestimmten Erkennungsstrukturen wird gewährleistet, dass die Nanopartikel nur in das gewünschte Zielgewebe eindringen. Um die Zirkulationszeit im Körper zu erhöhen und unerwünschte Wechselwirkungen mit Proteinen zu minimieren, können die Nanopartikel mit sogenannten „Tarnkappen“-Polymeren praktisch „unsichtbar“ gemacht werden. Zur Diagnostik werden zudem Farbstoffe in die Trägermaterialien eingeschlossen oder an diese gebunden.
PolytTarget widmet sich sämtlichen Aspekten der Erzeugung und effizienten Anwendung von Nanopartikeln zur Behandlung von Entzündungen. So bauen die Forschenden u.a. Polymerbibliotheken auf, entwickeln entzündungshemmende Wirkstoffe und modellieren die Wechselwirkung zwischen Wirkstoffen und Polymeren. Schließlich testen sie die Wirksamkeit der neuen Nanopartikel und entwickeln biomedizinische Bewertungsmethoden.
„Die besondere Stärke des SFB umfasst die Fähigkeit zur vollständigen Charakterisierung aller Schritte, die an der Erzeugung und Anwendung der Nanopartikel beteiligt sind“, macht Schubert deutlich.
Nanopartikel gegen Entzündungsprozesse
Neu entwickelte Wirkstoffe, die von gewebespezifischen Nanopartikeln eingekapselt werden, ermöglichen es, lokale und systemische Entzündungsreaktionen aufzulösen und entfernte Organe zu schützen und somit Organversagen vorzubeugen. Das Konsortium verfolgt das langfristige Ziel, zelltypspezifische polymere Nanopartikel als Wirkstoffträger zu entwickeln, die in den verschiedenen Stadien von Entzündungsprozessen selektiv eingreifen. Der SFB „PolyTarget“ reagiert in der zweiten Förderperiode auch auf die aktuelle Pandemie und hat einen Projektbereich aufgestellt, der gezielt viral verursachte Entzündungsreaktionen untersucht. Die Translation der Forschungsergebnisse wird in Kooperation mit Start-ups für kommende klinische Studien umgesetzt. Ein kürzlich genehmigtes Translationsprojekt erweitert den SFB hierbei.
„PolyTarget“ wird auch einen Beitrag für den Wissenstransfer im Bereich Nanotechnologie leisten. Im Rahmen eines neu installierten Projekts überführen die Expertinnen und Experten die Thematik der Polymer-basierten Nanopartikel in den Schulunterricht, um grundsätzliche Ansätze und ein Verständnis dafür bereits in der schulischen Bildung zu integrieren, ein qualifiziertes Grundlagenwissen bei Kindern zu erreichen – und so kommende Generationen an Forscherinnen und Forschern zu inspirieren.
Sonderforschungsbereiche (SFB) sind langfristig angelegte Forschungseinrichtungen der Universitäten, in denen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Rahmen eines fächerübergreifenden Forschungsprogramms zusammenarbeiten. Sie werden von der DFG finanziert und ermöglichen die Bearbeitung anspruchsvoller, aufwendiger und langfristig konzipierter Forschungsvorhaben. Die Dauer der Förderung beträgt längstens zwölf Jahre, wobei eine Förderperiode jeweils vier Jahre umfasst.