Die Schwerpunkte der Forschung von Prof. Rudolph liegen auf dem Gebiet der Stammzellalterung. Adulte Stammzellen sind in fast allen Geweben des Menschen vorhanden und tragen grundlegend zum Erhalt und zur Regeneration von Organen und Geweben bei. Im Verlauf des Alterns lässt die Funktion dieser Zellen nach, was zum Funktionsverlust einer Reihe von Organen und Geweben führt. Die Folge ist eine eingeschränkte Lebensqualität. Rudolph klärt in seinen Arbeiten grundlegende Mechanismen auf, die zum Funktionsverlust von Stammzellen im Rahmen der Alterung führen. Auf dieser Basis könnten Therapien entwickelt werden, die darauf zielen, den Organerhalt und die Lebensqualität im Alter zu verbessern.
Molekulare Mechanismen der Stammzellalterung scheinen darüber hinaus von grundlegender Bedeutung für Tumorerkrankungen. Das Krebsrisiko steigt im Rahmen der Alterung exponentiell an. Dabei scheint ein Zusammenhang zwischen Krebsentstehung und Stammzellen im Körper zu bestehen: Die lange Lebensdauer der Stammzellen birgt das Risiko, dass die alternden Stammzellen Mutationen anhäufen, so dass Krebs entstehen kann. Rudolphs Arbeiten zeigen, dass Telomerverkürzungen (DNA-Sequenzen an den Chromosomenenden) in alternden Stammzellen diesen Prozess beschleunigen und zur Entstehung von Tumoren beitragen.
Dr. Johannes Teyssen, Vorstandsvorsitzender der E.ON AG und Vizepräsident des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft, würdigt die große Relevanz von Rudolphs Arbeiten für Gesellschaft und Forschung: „Der Stifterverband prämiert gemeinsam mit der Leibniz-Gemeinschaft hervorragende Forschungsleistungen, die sich durch ihre gesellschaftliche Relevanz und ihr Innovationspotenzial auszeichnen. Die Ausrichtung auf die gesellschaftliche Bedeutung der Forschung ist für den Stifterverband und seine Mitglieder besonders wichtig. Über den Stifterverband fördern die deutschen Unternehmen die Wissenschaft, weil sie wissen, dass ihr Erfolg zu einem großen Teil auf Forschung und Entwicklung beruht. Und auf einer Wissenschaft, die gesellschaftliche Herausforderungen erkennt, aufgreift und für die Probleme Lösungen entwickelt. All das trifft auf die bisherige Arbeit von Lenhard Rudolph im Rahmen seiner Forschungslaufbahn in besonderem Maße zu. Ich beglückwünsche die Jury zu dieser Wahl.“
Prof. Karl Ulrich Mayer, Präsident der Leibniz-Gemeinschaft, sieht in Rudolph einen der Hoffnungsträger der biomedizinischen Altersforschung: „Die Abnahme der Sterblichkeit hat in den letzten Jahrzehnten jede Prognose widerlegt. Daher stellt sich dringender denn je die Frage, ob die gewonnenen Jahre auch mehr Krankheit und Gebrechlichkeit bedeuten müssen. Es werden dringend neue, effektive und praktikable Ansätze für ein möglichst gesundes Leben im Alter benötigt. Hierzu müssen die biologischen Grundlagen des Alterns erforscht werden, um neue Therapie- und Präventionsansätze zu entwickeln. Lenhard Rudolph hat wegweisend zu unserem Verständnis der Alterung von Stammzellen beigetragen. Über seine Auszeichnung hinaus habe ich mich sehr gefreut, dass wir ihn in diesem Jahr als neuen Wissenschaftlichen Direktor des Leibniz-Instituts für Altersforschung in Jena gewinnen konnten.“
Der Preisträger
Prof. Dr. med. Karl Lenhard Rudolph, Jahrgang 1969, studierte Medizin an der Georg-August-Universität Göttingen, wo er auch promovierte. Nach Aufenthalten in New York und Boston leitete er eine Emmy-Noether-Arbeitsgruppe und eine Heisenberg-Professur an der Medizinischen Hochschule Hannover. 2007 wurde er als Leiter des Instituts für Molekulare Medizin und der Max-Planck-Forschergruppe für Stammzellalterung an die Universität Ulm berufen. Seit Februar 2012 ist er Wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für Altersforschung - Fritz-Lipmann-Institut e.V. in Jena, seit Oktober 2012 Professor an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Rudolph wurde vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Gottfried-Wilhelm Leibniz Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem René-Schubert Preis für Alternsforschung, dem Wilhelm-Vaillant Wissenschaftspreis für molekulare Medizin und einem „Advanced Grant“ des Europäischen Forschungsrats (ERC).
Der Preis
Der mit 50.000 Euro dotierte Wissenschaftspreis des Stifterverbandes „Gesellschaft braucht Wissenschaft“ wird auf Vorschlag der Leibniz-Gemeinschaft für hervorragende Gesamtleistungen von Forschern vergeben, die sich durch besondere gesellschaftliche Relevanz und gute Umsetzbarkeit auszeichnen. Durch die Preisvergabe sollen die Leistungen der Wissenschaft für die Allgemeinheit sichtbar werden. Preiswürdig sind Forschungsarbeiten, deren Ergebnisse die Grundlagen für praktische Umsetzungen in Wirtschaft, Politik, Gesellschaft oder Forschung bilden. Der Preis wird alle zwei Jahre im Rahmen der Jahrestagung der Leibniz-Gemeinschaft verliehen.
Mehr Information zum Wissenschaftspreis und zu den bisherigen Preisträgern: www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/auszeichnungen/wissenschaftspreis/