Die Kryo-Elektronenmikroskopie (kurz Kryo-EM) hat sich in den vergangenen Jahren zu einem leistungsfähigen Werkzeug für die Strukturaufklärung in der Biologie entwickelt. Bei diesem bildgebenden Verfahren werden biologische Proben innerhalb kürzester Zeit bei Temperaturen -180 °C schockgefroren und anschließend mit Transmissionselektronenmikroskopen (TEM) untersucht.
Dies hat für die Biologie den großen Vorteil, dass die empfindlichen Proben keiner aufwendigen vorherigen Vorbereitung wie der Proteinkristallisation unterzogen werden müssen, was sich für viele biologische Proben als sehr schwierig erweist. Vielmehr werden die Makromoleküle direkt in ihrem wässrigen Lösungszustand fixiert.
Allerdings beeinflussen die biologischen Proben den Elektronenstrahl der Mikroskope kaum, in der Folge ist das sogenannte Signal-Rausch-Verhältnis ungünstig. Durch mehrfache Aufnahmen unter verschiedenen Winkeln und anschließende computertechnische Verknüpfung der Bilder können aber dennoch dreidimensionale Strukturen auch von Makromolekülen vollständig rekonstruiert werden. Dies gelingt inzwischen routinemäßig mit atomarer Auflösung – wofür 2017 auch der Nobelpreis für Chemie vergeben wurde.
Die Arbeitsgruppe um Prof. Sachse will einerseits die Einsatzmöglichkeiten der Kryo-EM für die Biologie erweitern und verbessern. Dazu entwickeln sie neue Techniken wie Probenpräparations-, Datenerfassungs- und Bildverarbeitungsmethoden.
Diese verbesserten Methoden dienen andererseits dazu, biologische Membranen und die darin enthaltenen Proteinkomplexe dreidimensional abzubilden und daraus deren Funktion zu ermitteln. Unter anderen interessiert sich Sachse für Proteine der sogenannten ESCRT-Maschinerie, die an zellulären Umbauprozessen von Membranen beteiligt ist. Dies spielt beispielsweise bei der Zellvermehrung eine Rolle.
„Ebenfalls untersuchen wir die sogenannten p62-Rezeptoren in der Zellmembran, die in die sogenannten Autophagieprozesse eingebunden sind. Hierüber zersetzt und recycelt der Körper nicht mehr benötigtes Material“, ergänzt Prof. Sachse, und: „Wie p62 dreidimensional aufgebaut ist, wie der Aufbau ihre Funktion beeinflusst und welche Partner es innerhalb der Zelle gibt, mit denen p62 interagiert, ist ein weiterer Schwerpunkt unserer Arbeit.“
Zur Person
Carsten Sachse (geboren 1978 in Halle an der Saale) studierte Biochemie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena (Diplom 2003), wo er auch 2007 nach Forschungsarbeiten am Leibniz-Institut für Alternsforschung und an der Brandeis University in Waltham in den USA promovierte. Es folgten Postdoc-Positionen in Halle und in Cambridge. Von 2010 bis 2018 war er Gruppenleiter am European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg. Im Jahr 2017 nahm er seine Tätigkeit am Ernst-Ruska-Centrum am FZJ auf. 2018 wurde er im Rahmen des Jülicher Modells zunächst zum W2-Professor an der HHU ernannt, seit Mai 2021 ist er – parallel zur Übernahme der Direktorenstelle für Strukturbiologie am Ernst-Ruska-Centrum – W3-Professor in Düsseldorf.
Prof. Sachse erforscht mit elektronenmikroskopischen Methoden die biologischen Strukturen von Proteinkomplexen in Membranen. Sein Hauptinstrument ist die Kryo-Elektronenmikroskopie, die er mit seiner Arbeitsgruppe nicht nur für die Untersuchungen einsetzt, sondern auch weiter verbessert und für neue Einsatzfelder weiterentwickelt, um hochauflösende Strukturbiologie betreiben zu können. Seine Ergebnisse publizierte er in aktuell 60 begutachtete Artikeln in renommierten Zeitschriften, unter anderem in Nature, Science und Cell.