Um die weit verbreiteten Schilddrüsenerkrankungen besser diagnostizieren und behandeln zu können, startet am 1. Oktober ein 7,6 Mio. Euro umfassendes Schwerpunktprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) an der Universität Duisburg-Essen (UDE) und weiteren Forschungseinrichtungen in Deutschland. Konkret untersucht werden sollen Transport und Wirkung von Schilddrüsenhormonen im menschlichen Körper.
Koordinatorinnen des auf sechs Jahre angelegten Verbundvorhabens mit 18 Teilprojekten sind Prof. Dr. Dagmar Führer, Direktorin der Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselerkrankungen am Essener Uniklinikum, Prof. Dr. Klaudia Brix, Professorin für Zellbiologin an der Jacobs University Bremen und Priv.-Doz. Heike Biebermann, Stellvertretende Leiterin des Instituts für Experimentelle Pädiatrische Endokrinologie der Charité Universitätsmedizin Berlin.
Die Schilddrüse produziert lebenswichtige Hormone, die den Energiestoffwechsel und das Zellwachstum im Körper steuern und so die Funktion nahezu aller Organe beeinflussen. Produziert die Schilddrüse zu viel oder zu wenig Hormone, können schwerwiegende Erkrankungen ausgelöst werden, beispielsweise Osteoporose, Herzkreislaufprobleme oder auch Depression. Rund ein Drittel der erwachsenen Deutschen hat eine kranke Schilddrüse. Mehr als 2 Milliarden Euro muss das Gesundheitssystem jährlich dafür aufbringen.
Dagmar Führer: „Die Diagnose ist leider schwierig, denn die Beschwerdebilder sind vielfältig und verlaufen zu Beginn meist schleichend. Oft werden sie auch nicht mit der Schilddrüse in Verbindung gebracht.“ Wird der Bezug richtig hergestellt, gibt es auch hier Probleme. Neuere Untersuchungen haben nämlich gezeigt, dass die bisherige Diagnostik über die Blutwertbestimmung nur unzureichend Aufschluss über die Gesundheit der Schilddrüse gibt. Hinzu kommt, dass sich die Symptome bei vielen Patienten, die Schilddrüsenhormone einnehmen, nicht vollständig bessern. Dennoch steht beispielsweise das Medikament Levothyroxin auf Platz 10 der weltweit am häufigsten verschriebenen Medikamente.
Das neue DFG-Schwerpunktprogramm „Thyroid Trans Act“ setzt bei den zentralen Fragen an, die die Forschungsrichtung für die kommende Jahrzehnte bestimmen werden:
- Was zeichnet die gesunde oder gestörte Schilddrüsenfunktion aus?
- Wie lässt sich patientenbezogen definieren, wann die Schilddrüse gesund oder fehlerhaft funktioniert?
- Wann und wie genau werden die verschiedenen Organe im Körper von Schilddrüsenhormonen beeinflusst?
- Welche den Schilddrüsenhormonen verwandten Moleküle wirken auf die Organe?
- Warum erzielen herkömmliche Behandlungsmethoden nicht immer den gewünschten Effekt?
Das interdisziplinär angelegte Schwerpunktprogramm verbindet Ergebnisse der Grundlagenforschung aus der Molekular- und Zellbiologie mit angewandter Medizin und bringt Wissenschaftler und Ärzte aus 16 deutschen Forschungsinstituten und Kliniken zusammen.
Ein Schwerpunkt ist die Erforschung der Transportwege der Schilddrüsenhormone von ihrem Produktions- zu ihrem Wirkungsort, damit alternative Diagnosemethoden sowie neue Medikamente, Behandlungsmethoden und Vorbeugemaßnahmen entwickelt werden können. Ein besonderes Merkmal dieses Schwerpunktprogramms ist, dass die Forschungsergebnisse rasch in den Kliniken angewendet werden sollen.
Schwerpunktprogramme gehören zu den wichtigsten Förderinstrumenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Ausgestattet mit einem großen Fördervolumen sollen sie spürbare Impulse zur Weiterentwicklung neuer Forschungsfelder setzen, die sich durch innovative Ansätze und Methoden, klare Ziele und internationale Sichtbarkeit auszeichnen. Darüber hinaus fassen sie die Arbeit in ortsverteilten Forschungszentren zu starken und interdisziplinären Netzwerken zusammen.
Weitere Beteiligte Forschungsinstitutionen:
- Jacobs University Bremen, Research Center MOLIFE
- Institut für Experimentelle Pädiatrische Endokrinologie, Charité Universitätsmedizin Berlin
- Institut für Experimentelle Endokrinologie, Charité Universitätsmedizin Berlin
- Klinik für Augenheilkunde, Charité Universitätsmedizin Berlin
- Leibniz Institut für Molekulare Pharmakologie, Berlin
- Institut für Community Medicine und Klinik für Innere Medizin B, Universitätsmedizin Greifswald
- Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin, Universitätsmedizin Greifswald
- Leibniz Institute for Age Research / Fritz Lipmann Institute, Jena
- Institut für Biochemie, Medizinische Fakultät, Universität Leipzig
- Abteilung Endokrinologie und Diabetes, Fachbereich Medizin, Universität Leipzig
- Abteilung Nuklearmedizin und Molekulares NeuroImaging, Universität Leipzig
- Klinik für Neurologie und Medizinische Klinik I, Universität zu Lübeck
- Klinikum der Universität München - Großhadern, Medizinische Klinik und Poliklinik II, München
- Klinikum der Universität München - Innenstadt, Medizinische Klinik und Poliklinik IV, Klinische Biochemie, München