Das duktale Pankreasadenokarzinom – der bei weitem häufigste im Pankreas diagnostizierte Tumortyp – entsteht durch eine Vielzahl genetischer Veränderungen. Aktuelle Daten aus der Laborarbeit von PD Dr. Alexander Kleger und Prof. Martin Wagner, Oberärzte an der Ulmer Universitätsklinik für Innere Medizin I, und ihren Teams, mit Ronan Russell als Erstautor der Arbeit, haben nun ein Modell generiert, welches erklären könnte, wieso beim sporadischen als auch beim familiären Bauchspeicheldrüsenkrebs hohe Mutationsraten im ATM-Gen vorliegen. „Genetisch manipulierte Mäuse, bei denen wir ATM in bestimmten Geweben deaktiviert haben, weisen eine wesentlich kürzere Lebensdauer auf als gesunde Mäuse“, so der Projektleiter PD Dr. Kleger, der seit 2013 durch ein Stipendium gefördert wird, mit dem die Else Kröner-Fresenius-Stiftung erfolgreichen Medizinern Freiraum für eigene Forschungsprojekte ermöglicht. Ohne das entsprechende ATM-Gen und mit dem auch beim humanen Pankreasadenokarzinom nahezu immer mutierten KRAS-Gen entwickeln diese Mäuse früher und ausgeprägter bösartige Gewebeveränderungen sowie Vorläuferläsionen des Pankreaskarzinoms, wie zum Beispiel azinär-duktale Metaplasien und pankreatischen intraepithelialen Neoplasien.
Verstärkte Kommunikation und Transformation der Zellen
Die genetisch manipulierten Zellen zeigten eine verstärkte „Kommunikation“ auf dem Bmp-Signalweg, einem der grundlegenden Signalsysteme für die Kommunikation zwischen Zellen, wodurch unter anderem Migration aber auch Invasion verstärkt werden kann. Passend dazu zeigte ATM ausgeschaltetes Pankreasgewebe außerdem eine vermehrte epithelial-mesenchymale Transition: Die Umwandlung von Epithelzellen zu mesenchymalen Zellen. Tumorzellen durchlaufen häufig mit zunehmender Aggressivität eine Abfolge von Stadien, um letztlich ihren Wirt zu attackieren. Dieser Prozess geht häufig einer Metastasierung voran. Durch diese Transformation werden Krebszellen „mobil“ und können nun alleine weiterwachsen.
Funktionelle Relevanz von ATM im humanen Pankreaskarzinom
Mit Hilfe von Genexpressionsanalysen konnte das Forscherteam eine genetische Signatur im Pankreas mit einem Mangel an ATM nachweisen, die mit humanen mesenchymal differenzierten Pankreaskarzinomen korreliert. Weitere Untersuchungen zeigten eine negative Korrelation zwischen der Genexpression und dem Tumorgrading, das heißt dem Grad der Abweichung vom normalen Gewebebild. In einer Kohorte von resezierten Pankreaskarzinomen wird deutlich, dass wenig ATM-exprimierende Tumoren mit einem signifikant verkürzten Überleben der Patienten einhergehen. „Damit konnten wir ATM erstmals eine funktionelle Relevanz im humanen Pankreaskarzinom zuschreiben und gleichzeitig ein entsprechendes humanisiertes Mausmodell generieren. Das vorliegende Modell und die darin erhobenen Daten haben daher großes Potential für die Entwicklung von zielgerichteten Therapiestrategien dieses Signalwegs im Rahmen einer personalisierten Tumortherapie“, so PD Dr. Kleger abschließend.
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Publication
Loss of ATM accelerates pancreatic cancer formation and epithelial–mesenchymal transition. Ronan Russell, Lukas Perkhofer, Stefan Liebau, Qiong Lin, André Lechel, Fenja M. Feld, Elisabeth Hessmann, Jochen Gaedcke, Melanie Güthle, Martin Zenke, Daniel Hartmann, Guido von Figura, Stephanie E. Weissinger, Karl-Lenhard Rudolph, Peter Möller, Jochen K. Lennerz, Thomas Seufferlein, Martin Wagner & Alexander Kleger
Nature Communications 2015 July 29, Article number: 7677 doi:10.1038/ncomms8677